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Fachwerk erleben in Schmalkalden

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Schmalkalden. Die Stadt zu Füßen des westlichen Thüringer Waldes präsentiert sich heute als Fachwerkstadt, und tatsächlich begegnen dem Besucher in Schmalkalden auf Schritt und Tritt Fachwerkbauten mit einer langen Geschichte, meist liebevoll restauriert. Das war nicht immer so. Schaut man auf Postkarten vom Anfang des 20. Jahrhunderts, zeigte sich damals die Stadt in tristen Grautönen, denn all das heute wieder sichtbare Fachwerk lag – bis auf wenige Ausnahmen – unter dickem Putz. Der Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts, des Klassizismus‘, hatte die Hausbesitzer dazu bewegt, ihren damals bäuerlich anmutenden Holzbauten den Anschein von Massivhäusern zu geben. Dazu war man nicht zimperlich mit den alten Holzwerken umgegangen, hatte Fenster versetzt, überflüssige Balken entfernt, Schnitzereien und anderes Zierwerk abgehackt und das verbliebene Holz mit Axthieben versehen, damit der Putz besser hielt. So war man nicht nur in Schmalkalden vorgegangen, sondern vielerorts in Deutschland.

Bis Mitte der 1980er Jahre hatte sich noch der ganze Fernverkehr durch die engen Gassen und Straßen der Schmalkalder Innenstadt gequält – mit Lärm und Abgasen, worunter nicht nur die Bewohner, sondern auch die Häuser litten. Bis die Verkehrsplaner die heutigen Verkehrsachsen schufen, der Verkehr raus kam aus dem Stadtzentrum, die Menschen und ihre Häuser aufatmen konnten, bot Schmalkalden ein schmutziges Stadtbild, was sich aber bald änderte. Es begann mit einzelnen Häusern, die von der graubräunlichen Putzhaut befreit und wieder in schicke Farben getaucht wurden, und bald hatte man den Eindruck, dass sich die ganze Stadt ihrer Staubschicht entledigte. Besucher kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und bis heute wird man immer aufs Neue überrascht, wenn wieder ein Baugerüst fällt, das zuvor einen grauen Kasten verhüllte, und eine Fachwerkperle zum Vorschein tritt.

Baukünstlerisch ist Fachwerk immer im Kontext seiner Erbauungszeit zu betrachten. Auf den ersten Blick mag das Fachwerk in Schmalkalden etwas einfacher ausgestaltet zu sein als etwa das in Suhl-Heinrichs, das wegen seiner reichen Ausschmückung (falsch) als Hennebergisches Fachwerk bezeichnet wird. Man kann beim Fachwerk keine Äpfel mit Birnen vergleichen. Schmalkalden erlebte 1212 seine letzte größere Feuersbrunst. Alle danach in Holz errichteten Gebäude hatten eine ehrliche Chance, bis heute erhalten zu bleiben. Viele andere Städte und Orte der Region wurden im Dreißigjährigen Krieg und/oder bei späteren Brandkatastrophen in Schutt und Asche gelegt. So die Stadt Suhl und die sie umgebenden Orte. Dort fiel der Neuaufbau in die Blüte des Barocks, der sich dort auch in der reichen Ausschmückung des Fachwerks niederschlug, während man barocken Zierrat in Schmalkalden heute vergeblich sucht.

Dafür gibt es hier die ältesten Fachwerkgebäude im ganzen Henneberger Land aus dem 14. (Weidebrunner Gasse 13, um 1365) und 15. Jahrhundert – noch in Ständerbauweise (Pfostenbau) errichtet (Altmarkt 8+9; Hinterhaus Lutherhaus). An ihnen ist auffällig, dass die Pfosten der unteren Etagen zwei und mehr Geschosse durchlaufen, während der spätere und bis heute übliche Rähmfachwerkbau nur geschosshohe Pfosten aufweist. So finden wir auch in Schmalkalden die ältesten Rähmfachwerkbauten der Region aus der Übergangszeit von der Einzel- zur Verbundverstrebung (Wilder Mann) in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (z. B. Lutherhaus, 1530; Salzbrücke 1). Die meisten Schmalkalder Fachwerkgebäude stammen aus dieser Zeit beziehungsweise tragen den typischen „Schmalkalder Stil“, der durch den „Wilden Mann“ und mehr oder weniger geschwungene Viertelkreishölzer geprägt wird. An diesem gotischen Stil wurde bis in das 17. Jahrhundert hinein festgehalten (Beharrungszeit). Selten sind geschwungene Andreaskreuze oder Rautenmotive in den Brüstungen zu sehen. Aussteifung und Pfostenreihung entsprechen dem Fränkischen Typ. Es gibt aber auch Ausnahmen. So findet man Einflüsse des Thüringer Leiterfachwerks (Hessenhof; Gillersgasse 1) oder hessische Prägungen (Reformierte Schule, 1659; Entenplan 21; Schmiedhof 17).

Jedes dieser altehrwürdigen Häuser hat im Leben viel gesehen und vieles – auch Unschönes – am eigenen Leibe erfahren müssen, mal mehr, mal weniger. Während bei einem Haus nur die Fensteröffnungen vergrößert wurden (Mohrengasse 1a) , ist bei anderen der ursprüngliche Bau nur noch erahnbar (Gillersgasse 2).

Wieviel Geschichte ein Fachwerkhaus noch heute erlebbar machen kann, erfährt der Besucher in der Weidebrunner Gasse 13:

FACHWERK/GE/SCHICHTEN SCHMIEDHOF

Weidebrunner Gasse 13, 98574 Schmalkalden
Telefon: 03683 606242
Dienstag bis Samstag 11:00 – 17:00 Uhr, Gruppen­führungen (bis zu 25 Personen) nach Anmeldung (auch über Tourist Information)
eines der fünf ältesten Fachwerkhäuser im Freistaat Thüringen mit frühesten systematisch angeordneten Fuß- und Kopfstreben in der Fassade; Zeugnis einer Ladeneinrichtung; rundbogiges Ladenfenster mit Klappläden und horizontal geteilter Haustür von 1551/54; Kriechboden zur Vorratshaltung 18. Jh.; in den Wohnbereichen Reste für Schmalkalden typischer Farbfassung des 15.–20. Jh.; an der hinteren Traufseite Reste einer hölzernen Dachrinne; Löschfeuer zum Frischen von Eisen innerhalb des ersten Anbaus vom Anfang des 14. Jh.; www.schmalkaldischergeschichtsverein.de

Titelbild: Lutherplatz mit dem Lutherhaus in der Bildmitte (1530).
Text/Fotos: Thomas Dreger

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