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Innenminister Georg Maier zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2017
Erfurt (lr). „Unsere freiheitliche Demokratie ist derzeit einer nicht zu unterschätzenden Belastungsprobe durch Rechtsextremismus ausgesetzt. Auch der Freistaat Thüringen ist von einer zunehmenden Aktivität des rechtsradikalen Spektrums betroffen“, sagte Innenminister Georg Maier gestern, 6. September 2018, zu den Zahlen des Verfassungsschutzberichtes 2017, den er zusammen mit dem Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, vorstellte.
Rechtsextremismus stellt auch weiterhin die Hauptgefahr für den Freistaat dar. Dem rechtsextremistischen Spektrum wurden im Berichtszeitraum in Thüringen etwa 835 Personen (2016: ca. 850) zugerechnet. „Obgleich das rechtsextremistische Personenpotenzial in Thüringen im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken ist, bedeutet dies bei Weitem keine Abschwächung in Gänze“, sagte der Minister und fuhr fort: „Die Anhängerschaft des unstrukturierten, also beispielsweise nicht in Parteien gebundenen, Spektrums ist unverändert hoch. Auch ist eine zunehmende Entgrenzung des Rechtsextremismus hin zu einer „Mosaik-Rechten“ zu verzeichnen.
Der Rechtsrock ist ein zentrales Element der rechtsextremistischen Szene in Thüringen. Mit 6000 Teilnehmern aus 23 Ländern Europas fand in Themar im Jahr 2017 das größte Konzert dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik statt. Neben den gefestigten Strukturen von rechtsextremistischen Personenzusammenschlüssen hat sich Thüringen in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Treff- und Veranstaltungsorte von Rechtsextremisten aus ganz Deutschland und Europa entwickelt.
Die Veranstalter umgehen dabei das von Ordnungsbehörden angestrebte Verbot solcher Großveranstaltungen dadurch, dass sie diese nicht als „Konzert“ sondern als „politische Versammlung“ anmelden. Maier: „Es ist klar, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten weiter mit derartigen Aktivitäten rechnen müssen. Das nächste größere Rechtsrockkonzert ist schon für Oktober in Apolda angemeldet. Deshalb spreche ich mich für scharfe Auflagen durch die kommunalen Behörden aus.“ Maier versprach, dass die Fachleute aus dem Innenministerium die Versammlungsbehörden dabei wieder nach Kräften unterstützen werden.
Eine zunehmende und nicht zu unterschätzende Rolle in Thüringen spielt die „Neue Rechte“ (Seite 36 ff.). Gruppen wie die „Identitäre Bewegung“ verneinen eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut, um ihre Anschlussfähigkeit in der breiten Gesellschaft zu erhöhen, lassen aber zugleich antidemokratische Tendenzen mit Bezug zur „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik erkennen. In Thüringen waren 2017 etwa 20 Personen bekannt. Das Spektrum der Mitläufer und Sympathisanten dürfte sich inzwischen jedoch erhöht haben. Viele „Identitäre“ haben einen „Vorlauf“ in der rechtsextremistischen Szene. Ihre Aktivitäten richten sich gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Recht auf Religionsausübung, einen der wichtigen Artikel unseres Grundgesetzes.
Ein weiterhin im Fokus stehendes und weiter an Bedeutung gewinnendes Beobachtungsobjekt sind die „Reichsbürger“. Reichsbürger lehnen unsere verfassungsmäßige Ordnung fundamental ab. Sie stellen kein einheitliches Phänomen dar, es handelt sich um autark handelnde Einzelpersonen und Gruppierungen. Etwa 10 Prozent der Reichsbürger sind Rechtsextremisten. Der vorliegende Bericht geht für das Jahr 2017 in Thüringen von 650 Personen aus, die dieser Gruppe zugerechnet werden. „Ich muss Ihnen aktuell sagen, dass die heutige Zahl bereits bei rund 900 liegt und – wegen der weitergehenden Prüfung von Verdachtsfällen – voraussichtlich noch weiter steigen wird“, ergänzt der Minister.
Ein weiteres Schwerpunktthema der Arbeit des Thüringer Verfassungsschutzes im Jahr 2017 war die Bekämpfung des Islamismus. Islamistische Gruppierungen haben sich in Thüringen bislang kaum strukturell etabliert. Feste, formale Organisationsstrukturen existieren in diesem Sinne im Freistaat nicht. Vielmehr agieren lose Personennetzwerke oder Einzelpersonen, die salafistische Aktivitäten entfalten. Das Potenzial der losen Anhängerschaft beläuft sich im Freistaat auf insgesamt ca. 200 Islamisten und bewegt sich auf dem Niveau des Vorjahres (2016: 200).
Im Schwerpunktbereich Linksextremismus ist festzustellen, dass die Hemmschwelle von Linksextremisten zur Gewalt weiterhin niedrig ist. Opfer autonomer Gewalt sind häufig Polizeibeamte, Bundeswehrangehörige, Feuerwehrleute oder Sanitäter. Es wurden in Thüringen auch Fälle von „Konfrontationskriminalität“ zwischen Rechts-Links beobachtet.
Der Minister appelliert, allen Sicherheitsbehörden in Thüringen Respekt und Vertrauen entgegen zu bringen und sie bei Ihrer wichtigen Arbeit zu unterstützen. Maier abschließend: „Wir müssen uns auch verstärkt der Prävention und Deradikalisierung in allen Extremismusbereichen zuwenden. Den Schutz und die Verteidigung unserer Werteordnung können wir nicht allein den Sicherheitsbehörden überlassen.“