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Waschbär, Signalkrebs und Co. – Neue Regelungen zum Schutz der heimischen Natur vor gebietsfremden Arten
Handel mit 37 Tier- und Pflanzenarten ab 3. August 2017 europaweit verboten
Erfurt (lr). Das Thüringer Umweltministerium informiert darüber, dass ab morgen (3. August 2017) 37 Arten einer europaweit gültigen Liste invasiver Tiere und Pflanzen nicht mehr gehandelt werden dürfen. Bereits seit heute sind außerdem Zucht- und Ausbringungsverbote für 12 weitere Tier- und Pflanzenarten europaweit in Kraft getreten. Tiere oder Pflanzen dieser insgesamt 49 gelisteten Arten dürfen nicht mehr ausgesetzt, angepflanzt oder gezüchtet werden.
„Invasive Tier- und Pflanzenarten bedrohen vielfach unsere einheimische Natur. Durch den Menschen absichtlich oder unabsichtlich in unsere Umwelt eingebracht, tragen diese dazu bei, einheimische Arten zu verdrängen und stellen damit eine Ursache für den Verlust unserer biologischen Vielfalt dar. Doch nicht nur der Naturschutz, auch unsere Wirtschaft und Gesundheit können durch invasive Arten Schaden nehmen“, sagte Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund.
In Deutschland wurden bisher ca. 1000 Tier- und Pflanzenarten als gebietsfremd eingestuft. Invasiv sind davon jedoch nur die wenigsten. Größter Auslesefaktor sind in Mitteleuropa die langen, kalten Winter. 30 Arten der offiziellen EU-Listekommen in Thüringen nicht vor, von drei Arten gibt es Einzelfunde und 12 gelten als etabliert. Zu den letzteren gehören neben den oben genannten Arten unter anderem das Drüsige Springkraut, der Blaubandbärbling, der Marmorkrebs, die Nilgans, die Nutria, der Marderhund und das Bisam.
„Gerade Radler und Wasserwanderer, die entlang der Saale unterwegs sind, sehen derzeit außer dem rosafarbenen Blütenstand des Indischen Springkrauts wenige einheimische Pflanzen. Es wird auch darauf ankommen, künftig vor der Blüte an einer weiteren Ausbreitung invasiver Arten zu arbeiten, wie es bereits in Jena durch Aktionen der Stadt und des Phyletischen Museums der Universität Jena geschieht“, so Siegesmund.
Mit dem Förderprogramm zur „Entwicklung von Natur und Landschaft (ENL)“ fördert das Thüringer Umweltministerium Projekte, um die Auswirkungen invasiver Arten auf die heimische Artenvielfalt einzudämmen.
So zum Beispiel in der Rhön, wo der Landschaftspflegeverband Rhön Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Riesenbärenklaus umsetzt.
Die Gründe für die Einbringung durch den Menschen sind vielfältig: Manchem ging es darum die heimischen Wälder jagdlich aufzuwerten – wie beim Waschbären. Gärtner oder Imker wollten Gärten um attraktive Pflanzen „bereichern“ oder private Tierliebhaber exotische Haus- oder Aquarientiere präsentieren.
Das Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) beispielsweise stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde in Italien und auf den Britischen Inseln ausgesetzt. Dort verdrängt es inzwischen das zierlichere heimische Eichhörnchen durch Lebensraum- und Nahrungskonkurrenz. Zudem überträgt es die für Eichhörnchen meist tödlich verlaufenden sogenannten „Eichhörnchen-Pocken“, gegen die Grauhörnchen weitgehend immun sind.
Ein weiterer Vertreter auf der EU-Liste ist der Riesenbärenklau, auch Herkulesstaude genannt. Zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg holten Wissenschaftler die wüchsige Staude von den kühl-feuchten Hängen des Kaukasus ins europäische Russland, um mit ihr als Silagefutter die Landwirtschaft zu fördern. Auch Gärtner und Imker in Deutschland erfreute die starkwüchsige, auf den ersten Blick attraktive Pflanze. Allerdings trägt sie wirksame Pflanzengifte in sich, sogenannte Furocumarine, welche bei Berührung die Haut lichtempfindlich machen. Dies führt an den betroffenen Stellen im Extremfall zu schmerzhaften Rötungen bis hin zu massiver Blasenbildung, wie bei Verbrennungen.
In Gefangenschaft gehaltene Tiere gelisteter Arten sollten möglichst an der Fortpflanzung gehindert werden (Kastration oder Sterilisation). Pflanzenbestände gelisteter Arten sollten schon möglichst in einem frühen Stadium beseitigt werden. Privat dürfen die gelisteten Tiere unter den oben genannten Voraussetzungen noch bis zu ihrem natürlichen Ableben gehalten werden, wenn nachweisbar ist, dass sie vor Inkrafttreten der Liste bereits in Privatbesitz waren.
In Thüringen sind für die invasiven Arten der EU-Liste nach § 29 Abs. 1 Thüringer Naturschutzgesetz die unteren Naturschutzbehörden der Kreise und kreisfreien Städte erste Ansprechpartner.
Weitere Informationen erhalten Interessierte unter: www.thueringen.de/th8/tlug/umweltthemen/naturschutz/invas_arten/index.aspx
Hintergrund
Am 1. Januar 2015 ist die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in Kraft getreten. Im Mittelpunkt der EU-Verordnung steht eine Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung (Unionsliste), für die Maßnahmen zum zukünftigen Umgang (Prävention, Früherkennung und rasche Reaktion, Kontrolle) festgelegt werden. Die EU-Kommission hat am 14. Juli 2016 die erste Unionsliste mit 37 Tier- und Pflanzenarten veröffentlicht, sie ist am 3. August 2016 in Kraft treten. Am 13. Juli 2017 wurde die zweite Liste veröffentlicht mit 12 weiteren Arten, welche am 2. August 2017 in Kraft tritt.
Einige dieser Arten können zudem wirtschaftliche Schäden verursachen (z.B. Waschbär, Nutria, Wollhandkrabbe).
Für die gelisteten Arten gelten künftig für die Haltung Handels- und Transportverbote (mit Übergangsfristen) sowie für die im Freiland vorkommenden Arten Beseitigungs- oder Managementverpflichtungen.
Folgende invasive Arten sind in den Listen aus 2016 und 2017* aufgeführt:
(* bedeutet zur Arten-Liste gehörig, die ab 2. August 2017 dem Ausbringungs- und Zucht verbot unterliegen; alle anderen 39 Arten sind ab dem 3. August 2017 zudem vom Handelsverbot betroffen)
Pflanzen:
- Baccharis halimifolia − Kreuzstrauch
- Cabomba caroliniana − Karolina-Haarnixe
- Eichhornia crassipes − Wasserhyazinthe
- Heracleum persicum − Persischer Bärenklau
- Heracleum sosnowskyi − Sosnowskyi Bärenklau
- Hydrocotyle ranunculoides − Großer Wassernabel
- Ludwigia grandiflora − Großblütiges Heusenkraut
- Ludwigia peploides − Flutendes Heusenkraut
- Parthenium hysterophorus − Karottenkraut
- Persicaria perfoliata − Durchwachsener Knöterich
- Pueraria montana var. lobata − Kudzu
- Lagarosiphon major − Wechselblatt-Wasserpest (etabliert)
- Lysichiton americanus − Gelbe Scheincalla (etabliert)
- Myriophyllum aquaticum − Brasilianisches Tausendblatt (etabliert)
- Alternanthera philoxeroides – Alligatorkraut
- Gunnera tinctoria – Chilenischer Riesenrhabarber/Mammutblatt*
- Microstegium vimineum – Japanisches Stelzengras*
- Pennisetum setaceum – Afrikanisches Lampenputzergras*
- Asclepias syriaca – Gewöhnliche Seidenpflanze (etabliert)*
- Elodea nuttallii – Schmalblättrige Wasserpest (etabliert)*
- Heracleum mategazzianum – Riesenbärenklau (etabliert)*
- Impatiens glandulifera – Drüsiges Springkraut (etabliert)*
- Myriophyllum heterophyllum – Verschiedenblättiges Tausendblatt (etabliert)*
Wirbellose Tiere:
- Orconectes virilis − Viril-Flusskrebs
- Vespa velutina nigrithorax − Asiatische Hornisse
- Eriocheir sinensis − Chinesische Wollhandkrabbe (etabliert)
- Orconectes limosus − Kamberkrebs (etabliert)
- Pacifastacus leniusculus − Signalkrebs (etabliert)
- Procambarus clarkii − Roter Amerikanischer Sumpfkrebs (etabliert)
- Procambarus fallax f. virginalis − Marmorkrebs (etabliert)
Wirbeltiere:
- Callosciurus erythraeus − Pallas-Schönhörnchen
- Corvus splendens − Glanzkrähe
- Herpestes javanicus − Kleiner Mungo
- Lithobates catesbeianus − Nordamerikanischer Ochsenfrosch
- Muntiacus reevesii − Chinesischer Muntjak
- Nasua nasua − Roter Nasenbär
- Perccottus glenii − Amurgrundel
- Sciurus carolinensis − Grauhörnchen
- Sciurus niger − Fuchshörnchen
- Tamias sibiricus − Sibirisches Streifenhörnchen
- Myocastor coypus – Nutria (etabliert)
- Oxyura jamaicensis − Schwarzkopf-Ruderente
- Procyon lotor – Waschbär (etabliert)
- Pseudorasbora parva – Blaubandbärbling (etabliert)
- Threskiornis aethiopicus − Heiliger Ibis
- Trachemys scripta − Buchstaben-Schmuckschildkröte (unbeständig)
- Alopochen aegyptiaca – Nilgans (etabliert)*
- Nyctereutes procyonoides – Marderhund (etabliert)*
- Ondatra zibethicus – Bisam (etabliert)*