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Vor 3.500 Jahren: Das „kleine Ägypten“ im Westen von Suhl
Hochkultur der Bronzezeit beiderseits des Haseltals bis heute wenig erforscht
Es ist natürlich vollkommen übertrieben, das alte pharaonische Ägypten mit seinen Pyramiden, Tempeln und Königsgräbern am Nil mit der Kultur der Hügelgräberleute, die auf den Buntsandsteinhöhen zwischen Schmeheim und Schwarza im Westen von Suhl ihre Grabhügel aufgeschichtet haben, zu vergleichen. Damals, vor 3.500 Jahren aber waren die Bewohner unserer Heimat in Mitteleuropa dennoch auf dem Stand ihrer Zeit und Träger einer Hochkultur, von der man bis heute wenig weiß, nämlich meist nur das, was diese Menschen ihren verstorbenen Angehörigen auf die Reise ins Jenseits mitgegeben haben.
Rekonstruierter Grabhügel auf dem Schmeheimer Berg.
An der Osterkuppe bei Schwarze, auf dem Homers bei Wichtshausen, auf dem Schmeheimer Berg bei Dietzhausen, an der Silbachshöhe und auf weiteren Höhen bei Wichtshausen oder Grub bestatteten um 1500 v.u.Z. Menschen in der Mittleren Bronzezeit ihre Toten, in dem sie sie bekleidet ebenerdig in Holzsärgen, auf Holzbrettern oder in Steinkästen ablegten, persönliche Gegenstände aus Bronze, wie Waffen, Zierrat und Werkzeuge, Schmuck aus Bernstein und mit Lebensmitteln gefüllte Keramikgefäße dazu drappierten und darüber einen bis mehrere Meter hohen Hügel aus Steinen und Erde aufwarfen. So entstanden mancherorts Gruppen von fünf, zehn und mehr unterschiedlich großen Grabhügeln – sogenannte Gräberfelder. Manche Grabhügel blieben aber auch nur zu zweit oder selten allein.
Grabhügel auf dem Homers.
Viele von diesen Hügelgräbern sind in den folgenden Jahrhunderten zerstört worden – durch Raubgräberei und Plünderung, Stein-/Sandgewinnung für das Baubedürfnis oder Einebnung für land- und forstwirtschaftliche Nutzung oder auch natürliche Erosion. Manche Grabhügel wurden bis heute noch gar nicht als solche identifiziert und harren noch unbeachtet im Wald ihrer Entdeckung.
Das Interesse an diesen zum Teil in der Landschaft recht markanten Objekten war schon im 18. Jahrhundert groß. Als die Altertumsforschung ab 1800 immer mehr in Mode kam, wurden auch immer wieder Hügelgräber „ausgegraben“ und dabei – aus der Sicht der heutigen modernen Archäologie – mehr Zerstörungen angerichtet als Erkenntnisse gewonnen.
Unter der Leitung von Dr. Rudolf Feustel (1925-2018) wurden in den 1950er Jahren im Auftrag der Forschungsstelle am Museum für Ur- und Frühgeschichte Weimar erstmals wissenschaftliche archäologische Untersuchungen an Hügelgräbern bei Schwarza durchgeführt. Im sauren Bodenmillieu über dem Buntsandstein konnten sich nach über drei Jahrtausenden Bronzegegenstände und Keramikreste, aber nur geringe Spuren organischen Materials erhalten. Menschliche Knochen fehlten gänzlich, aber Reste von Gewändern, feste derb gewebte Stoffe, aber auch tüllartige lockere Gewebe aus Schafwolle konnten gesichert und untersucht werden. Pollenanalysen erbrachten Erkenntnisse zur damaligen Flora und zum Klima, das wesentlich wärmer und arider als heute war.
„Der größte Hügel von Schwarza (Hügel Nr. 1) besaß einen Durchmesser von etwa 13 m und war noch etwa 1,4 m hoch. Seine Bedeutung liegt in der Einmaligkeit seiner horizontalen Stratigraphie, in der Fülle der geborgenen Bronzegegenstände und in der Anzahl der Bestatteten. Die fast steinfreie Aufschüttung wurde im Inneren und am Rand von einer Trockenmauer gefasst, was die Hügel der Region um Schwarza aus dem zeitgleichen Bestand heraushebt. Im Hügel Nr. 1 wurden fast ungestört 16 außerordentlich reiche, und was die Zahl und den Frauenanteil betrifft, einmalig gebliebene Bestattungen gefunden. Darunter sechs Frauen-, sechs Männer-, zwei Kindergräber und das Grab einer Frau mit Kind. Sie waren unregelmäßig verteilt, nicht nach einer Himmelsrichtung orientiert, was eine völlig unübliche Form darstellt. Die bekleideten Toten ruhten im Hügel in ausgestreckter Rückenlage mit ihrer Schmuck- und Waffenausstattung. Die meisten waren auf einem Totenbrett oder in einem aus Eichenhölzern bestehenden Sarg bestattet. Der Sarg stand zuweilen auf einer Stein- oder Sandunterlage, meist aber auf dem gewachsenen Boden. Häufig waren Kopf- und Fußende der Bestattung von Steinen begrenzt.“ [Wikipedia]
Zeichnungen von Grabungsfunden (Bronzeschmuck). Aus: FEUSTEL, s.u.
Weitere Ausgrabungen fanden in den 1960er Jahren am Schmeheimer Berg bei Dietzhausen unter Dr. Feustel statt.
Im Ergebnis wurden die Bewohner der Region in der Mittleren Bronzezeit oder Hügelgräberzeit der Werra-Fulda-Gruppe in der „Zone nördlich der Alpen“ zugeordnet. Es konnten weder Siedlungen noch Ackerbau nachgewiesen werden. Woher die Menschen kamen und ob sie später wieder gingen oder blieben und nachfolgende Kulturen übernahmen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Das betrifft auch die Herkunft der Bronze. Rudolf Feustel vermutete, dass zumindest das Kupfer für die Bronzeherstellung aus dem südlichen Thüringer Wald stammen müsse.
Im Vorfeld des Baues der Thüringer-Wald-Autobahn fanden auch in den Gräberfeldern im Trassenverlauf zwischen Wichtshausen und Ebertshausen/Schwarza Rettungsgrabungen des Thüringischen Landesamtes für Archäologische Denkmalpflege (TLAD) Weimar unter Leitung der Doktorandin Kathrin Ebner statt. Im Ergebnis und in ihrer Dissertation ordnet Ebner die „Südthüringer“ Hügelgräberbronzezeit einer autarken Gruppe zu, nämlich der Werra-Gruppe und löst sie von osthessischen Einflüssen ab. Die Grabungen selbst brachten kaum neue Erkenntnisse, da beinahe jeder Grabhügel durch Raubgrabungen oder stümperhafte Grabungsmethoden der frühen Forscher im 19. Jahrhundert erheblich gestört war. Ebner bestätigt das Fehlen von Siedlungen und weiteren Funden zur Lebensweise der Bronzezeitleute in der Region.
In den 1980er Jahren wurde durch Mitglieder der Fachgruppe Bodendenkmalpflege Suhl (später Verein Archäologie und Denkmalpflege Suhl e.V.) erst im Bereich der Silbachshöhe bei Wichthausen in der Nähe des dortigen Hügelgräberfeldes und der markanten urgeschichtlichen Wallanlage „Lorenze“ (bis heute nicht näher untersucht und datiert) und später am Ausgang des Eubengrabens zwischen Wichtshausen und Dillstädt Scherben bronzezeitlicher Siedlungskeramik gefunden, die von den Forschern in Weimar bis heute unbeachtet geblieben sind. Die Funde befinden sich heute mit dem übrigen Fundus der Fachgruppe bzw. des Vereins im Magazin des Steinsburgmuseums bei Römhild.
Stücke bronzezeitlicher Keramik, die 1985 am Ausgang des Eubengrabens gefunden wurde (Magazin Steinburgmuseum).
Dabei wäre eine genauere Betrachtung der Umstände zwischen Schmeheim und Schwarza durchaus interessant. Beiderseits des Haseltales erstrecken sich die Gräberfelder auf den Hügeln. Betrieben die Menschen, die ihre Toten dort bestatteten, dort auch die Zucht von Schafen für die Gewinnung von Wolle? Lebten sie dabei vielleicht eher nomadisch, so dass sie Siedlungen nur an ganz bestimmten Orten als Zuflucht, Sicherung oder für kultische Zwecke anlegten? So ein Zufluchts- und/oder Kultort könnte die Wallanlage „Lorenze“ an der Silbachshöhe gewesen sein. Möglicherweise lebten heidnische Traditionen an dieser Stätte noch bis ins frühe Mittelalter weiter, was die „Christianisierung“ des Ortes durch den Bau der mittelalterlichen „Laurentius-Kapelle“ innerhalb der Wallanlage abseits jeder Siedlung jener Zeit erklären könnte.
Reste der Laurentius-Kapelle innerhalb der urgeschichtlichen Wallanlage „Lorenze“ an der Silbachshöhe.
Auch dass ein Austausch der Hügelgräberleute nördlich und südlich des Haseltales durch die damalige sumpfige Flussaue der Hasel stattfand, ist unstreitbar. Ein morphologisch für eine Querung günstiger Bereich zeichnet sich – markiert durch zahlreiche Hohlwege späterer Zeit an den Hängen – zwischen der ehemaligen Dillstädter Ziegelhütte und dem Eubengraben ab. Die bronzezeitlichen Keramikfunde auf dem halbinselförmigen Schwemmkegel vor dem Eubengraben lassen vermuten, dass an dieser Stelle eine Siedlung zum Unterhalt einer wie auch immer baulich geschaffenen Haselquerung (Knüppeldamm, Furt?) damals bestanden haben könnte.
Man kann sich nur wünschen, dass sich die Archäologen diesen Fragen in der Zukunft noch einmal annehmen.
Bis dahin können Einheimische wie Gäste sich auf die Spuren der Vergangenheit auf dem archäologischen Wanderweg zwischen Dietzhausen und der Langen Bahn (Ruine des Johanniter-Berghofes, Bergbaude) begeben. Der Weg tangiert die bronzezeitlichen Stätten an der Silbachshöhe und am Schmeheimer Berg und erläutert sie auf Infotafeln.