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Erik Fosnes Hansen Ein Hummerleben

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Erik Fosnes Hansen: „Ein Hummerleben“

Veröffentlicht von

Buchtipp der Stadtbücherei Suhl für Dezember 2019

Schauplatz des neuen Romans des norwegischen Autors Erik Fosnes Hansen ist ein mondänes, familiengeführtes Berghotel Anfang der 1980er Jahre in den norwegischen Bergen. Erzählt wird aus der Sicht des vierzehnjährigen Sedd, der hier bei seinen Großeltern aufwächst. Die temperamentvolle aus Wien stammende Großmutter und ihr Mann, Hoteldirektor Zachariassen, erscheinen wie aus einer längst vergangenen Zeit gefallene Figuren und legen viel Wert auf Stil und Etikette. Sedd wird als Küchengehilfe und Laufbursche mit in den Hotelbetrieb eingespannt. Um seine verschwundene Mutter ranken sich nebulös allerlei Geheimnisse und wer sein Vater war, erzählt man ihm nur bruchstückhaft. Seine dunkle Hautfarbe ist das Einzige, was Sedd von seinem aus Indien stammenden Vater geblieben ist.

Absolut detailverliebt beschreibt E. F. Hansen das Hotel, seine Angestellten und seine Gäste. Doch die erzählerische Geduld steht im Gegensatz zum rasanten Abstieg des Hotels. Der Leser merkt bald, dass der Betrieb tief in den roten Zahlen stecken muss.

Das Hotel hatte glanzvolle Zeiten, als die Norweger noch gerne zum Wandern und Skilaufen kamen. Doch inzwischen fährt man zum Urlaub lieber in den „verteufelten Süden“, wie der Großvater oft sagt. Somit fehlt die Existenzgrundlage für das Hotel. Nachdem der alte Bankdirektor, der dem Hotel aufgrund üppiger Bestechungsessen wohlgesonnen war, bei ebenso einem Essen verstorben ist, steht es kurz vor dem Konkurs. Direktor Zachariassen klammert sich an die Überzeugung, das alles gut wird, wenn nur jeder weiterhin exakt seine Aufgaben erledigt. Er verdrängt, wie brüchig die Basis bereits geworden ist und verschleiert die Misere auch vor seiner Frau. Alle Rechnungen werden nicht mehr geöffnet, sondern landen in einer großen Kiste im Keller. Auch Sedd ist vollkommen blind dafür, dass sich die Reden seines Großvaters nicht mehr mit der Realität in Einklang bringen lassen. Erst spät, nach mehreren Stromabschaltungen und einem gesperrten Telefonanschluss ahnt er, dass es im Hotel nichts mehr so ist, wie es sein sollte. Doch er wagt nie, die Autorität des Großvaters in Frage zu stellen. Dass Sedd die Diskrepanz zwischen Sein und Schein lange nicht bemerkt, sowie sein altkluger, gewissenhafter Ton verleihen dem Roman eine hintergründige Komik.

Dass sich am Ende des Romans eine Gruppe Bestatter im Hotel einquartiert, hat Symbolcharakter. Eine aus dem Ruder gelaufene Feier nimmt ein katastrophales Ende und leitet den endgültigen Untergang des Hotels ein.

Der Niedergang des Hotels steht symbolisch für das Ende einer Ära. Schriller Massentourismus und Kreuzfahrten bestimmen das aktuelle Urlaubsgeschehen und bedrohen die einmalige, atemberaubende norwegische Fjordlandschaft, die in ihrer stillen Schönheit so nicht mehr wahrgenommen werden kann. Wie die Hummer im hoteleigenen Aquarium gefangen sind und keine Chance haben, ihrem Schicksal zu entkommen, so sind auch Sedd und seine Großeltern mit ihren realitätsfernen Ansichten in einer dem Untergang geweihten Zeit gefangen.

Dass „Ein Hummerleben“ dennoch kein trauriges Buch geworden ist, liegt am hintergründigen Humor des Autors mit dem er ein zeitloses Thema, das Scheitern eines Lebenstraums, beschreibt.

Hansen, Erik Fosnes: Ein Hummerleben. Roman. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2019.–381 S.

Text: Stadtbücherei Suhl, Sabrina Hoffmann

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