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Wenn Wälder wandern

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Wälder wandern mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 Metern pro Jahr. Und ihre Samen sind ihr „Geh-Werkzeug“

Erfurt (hs). Es mag für den Laien überraschend klingen, aber Wälder können wandern und damit ihr angestammtes Verbreitungsgebiet verlassen. Die Wanderung erfolgt durch die Verbreitung ihrer Früchte und Samen – gleichsam ihr „Geh-Werkzeug“. Darauf macht die Thüringer Landesforstanstalt aufmerksam. Vor rund 11.500 Jahren -mit dem Ende der Eiszeit- war Deutschland und damit auch Thüringen noch weitgehend eis- und schneebedeckt sowie baumfrei. Mit den milderen Jahreszeiten, als Folge eines natürlichen Klimawandels, wanderte z. B. Birke, Kiefer oder Eiche und auch später die Rotbuche aus eiszeitlichen Rückzugsräumen im Süden langsam immer weiter gen Norden. Diese natürliche Klimaveränderung hat weitere Baumarten erfasst, so entstanden u. a. in Mitteldeutschland völlig neue Lebensräume und eine nahezu flächendeckende Waldbestockung. Bäume, die am Ende der Eiszeit nur im Mittelmeerraum heimisch waren, sind es heute auch 1.000 Kilometer weiter nördlich. Andere erklommen höhere Lagen im Gebirge. Aber auch der Mensch griff verstärkt in diese natürlichen Entwicklungen ein: Etwa die Römer, die vor ungefähr 2.000 Jahren begannen, die Esskastanie und die Walnuss nach Deutschland zu verbringen.

Natürliche Klimaveränderungen erlauben die Migration der Wälder

Vollzieht sich eine Klimaveränderung schleichend in kleinsten Schritten wie in der Vergangenheit über 10.000 Jahre hinweg, kann eine Baumart die Verlagerung ihres optimalen Lebensraumes mit einer Wanderung durchaus bewältigen und sich den neuen Bedingungen dort anpassen. Selbst dieser vermeintlich lange Zeitraum ist für einige Baumarten aber sehr kurz. So schaffte es nachweislich die Weißtanne nach der Eiszeit nicht vollständig von Süd nach Nord durch Thüringen. Insgesamt ist diese historische Entwicklung aber nicht vergleichbar mit dem heutigen, vom Menschen verursachten, Klimawandel: Temperaturveränderungen von mehreren Grad innerhalb von 50 bis 100 Jahren und häufige Witterungsextreme etwa lassen den Pflanzenarten keine „Reisezeit“ mehr. Die Umweltbedingungen verändern sich so rasend schnell, dass die natürliche Wanderungsbewegung etwa von Wäldern viel zu langsam abläuft, um erfolgreich „mit eigenen Reisemitteln“ zu sein. Mehr noch: Die durch zivilisatorische Errungenschaften veränderte Kulturlandschaft „bremst“ die Migration von Pflanzenarten weiter aus, weil Naturräume durch Siedlungen, Straßen und Äcker zerschnitten sind und natürliche Waldverjüngung nicht überall vorhanden ist oder zugelassen werden kann. Weltweiter Handel und Reisetourismus verschleppen zusätzlich Arten über Kontinente hinweg und bringen so natürliche Lebensräume völlig durcheinander. Und was schon vor 10.000 Jahren ein Problem war, wird auch heute ein Problem sein: Die Ost-West-Ausrichtung der Alpen in Mitteleuropa wirkt wie ein natürliches Bollwerk gegen jegliche Wanderungsbewegungen von Flora und Fauna in Nordrichtung. Pflanzenarten werden, wie etwa die Weißtanne vor 10.000 Jahren, den umständlichen Weg östlich und westlich um die Alpen nehmen müssen, da diese in alpinem Klima nicht überleben kann.

Ein weiteres Problem: Pflanzenarten wandern, Ökosysteme nicht

Da einige Pflanzenarten schneller wandern als andere oder auch flexibler auf Änderungen und neue Schadorganismen reagieren, entstehen durch Klimaveränderungen neu zusammengesetzte Lebensgemeinschaften aus Fauna und Flora. Die Folgen sind erheblich. Bestehende Ökosysteme sind mehr oder weniger stark bedroht oder gar zum Aussterben verurteilt. Neue, bislang unbekannte Lebensgemeinschaften entstehen – auch in neuen, bislang unbekannten Klimakombinationen. Mit der verstärkten Einbringung von trockenheitstoleranten Baumarten sind Waldbesitzer und Förster wahrscheinlich einzig in der Lage, das Ökosystem Wald in den nächsten Jahrzehnten möglichst stabil und weitgehend multifunktional zu halten. Waldbesitzer und Förster als „Reisebegleiter“ für die Wanderung lohnender neuer Baumarten und klimaangepasster Herkünfte heimischer Baumarten können somit eine ungemein wertvolle Arbeit für unsere Ökosysteme und nicht zuletzt auch für unsere Gesellschaft leisten.

Titelbild: Fichtenblüte im Mai mit schönem weiblichem Zapfen und unscheinbaren männlichen Blüten. Nach der Befruchtung sorgen tausende Samen für die „Wanderung“ ganzer Fichtenwälder.
Text: ThüringenForst, Dr. Horst Sproßmann; Foto: ThüringenForst

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