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Gedanken zum Waldland Thüringen
Warum es ohne Forstwirtschaft im Freistaat kaum Wald gäbe. Und Wald schon gar nicht ein Geschenk des Himmels ist
Erfurt (hs). Die besinnliche Vorweihnachtszeit steht an. Ein guter Moment, um inne zu halten und über wichtige, besser noch, oft vernachlässigte Themen nachzudenken. Der Wald gehört irgendwie dazu. Es gibt kaum ein Thema, über das die Bevölkerung so eifrig diskutiert und doch so wenig weiß. Dabei „nutzt“ ihn doch fast jeder: Der Waldbesucher beim Spazierengehen, der Sportler erlebt ihn als „Grüne Arena“, der Intellektuelle kennt ihn als literarisches Motiv, der Musikliebhaber als Hörgenuss und der Künstler als Objekt. Die wenigstens aber kennen die stoffliche Dimension des Waldes, können mit Begriffen wie Baumarten, Holzvorrat, Naturverjüngung oder Forsteinrichtung nur im Ansatz etwas anfangen. Wald wird in einer romantischen Verklärung erfasst, selbst die völlige Unkenntnis seiner Entstehung, seiner Geschichte und der Tatsache, warum er so ist, wie er ist, scheint dabei nicht zu stören. Der Wald vor der eigenen Haustür, so könnte man meinen, ist ein Geschenk des Himmels, ein Spielzeug der Schöpfung.
Ohne Forstwirtschaft gäbe es im Freistaat kaum Wald
Ohne den Jahrtausende andauernden Einfluss des Menschen auf den Wald wäre Thüringen heute noch zu über 90 % bewaldet, vornehmlich mit Buche. Ist es aber nicht. Auf rund 34 % der Landesfläche stockt aktuell Wald und dieser Waldanteil wurde hart, sehr hart erarbeitet. Zwischen 800 und 1800 verlor Deutschland drei Viertel der ursprünglichen Waldfläche, im heutigen Thüringen dürften es noch mehr gewesen sein. Mag der Dom in Erfurt aus Stein sein, er fraß gleichwohl riesige Wälder. Baugerüste waren aus Holz, Werkzeuge waren aus Holz, tausende Arbeiter mussten mit Holz als Wärmequelle versorgt werden. Städte, die sich um diese Bauwerke in die Landschaft fraßen, verbrauchten nicht minder Unmengen an Holz, dazu städtisches Handwerk und erste Industrien, vor allem aber die stetig zunehmende Bevölkerung die Holz als Energieträger benötigte. Kaum 130 Kilometer östlich von Erfurt lag Freiberg, Zentrum der im Spätmittelalter größten Montanregion der Welt. Die Mittelgebirge in Sachsen und Thüringen waren von Stollensystemen durchzogen, deren Bau hauptsächlich den Rohstoff Holz erforderte. Die sich etablierende Glas- und Metallindustrie benötigte Holz und Holzkohle als Brennstoff für ihre Öfen. Um 1700 war Wald in Thüringen großflächig zerstört, zumindest geschunden und ausgeraubt. Die Werke früher Landschaftsmaler zeigen eindrücklich die erschreckende Dimension. Die Wende kam 1713 mit Carl von Carlowitz, der als Oberberghauptmann und Forstkameralist die Nachhaltigkeit als forstliches Wirtschaftsprinzip prägte. Mit Carlowitz wurde von Mitteldeutschland aus die moderne Forstwirtschaft begründet und in die Welt hinausgetragen. Der Staat machte die Wiederaufforstung zur Pflicht, es durfte nur so viel Holz geerntet werden, wie wieder nachwuchs. Seitdem wachsen die Wälder in Thüringen wieder – nach Fläche, Holzmenge und nach Qualität. Ohne Forstwirtschaft gäbe es keine Wälder nach heutiger Dimension im Freistaat, über die heute so gerne gestritten wird. Wir haben jetzt und heute Wald, weil wir ihn seit über 300 Jahren nachhaltig nutzen – eine unbequeme Wahrheit für manche Naturschutzexperten, eine unbekannte Wahrheit für einen Großteil der Thüringer Bevölkerung. Selbst wundersam entdeckte, vermeintliche „Urwälder“ in Thüringen sind schlicht das Ergebnis forstlichen Handelns unserer Ur-Urgenerationen.
Die Herausforderung Klimawandel trennt nicht zwischen Wald und Forst
An die Folgen des Klimawandels werden sich jene Wälder anpassen, die bewirtschaftet werden. Und nur diese Wälder werden uns durch CO2-Speicherung vor den Folgen schützen und gleichzeitig auch noch nachhaltig einen Roh-, Bau- und Werkstoff sowie Energieträger liefern. Stete und kluge forstliche Eingriffe haben die Wälder im Freistaat wieder auf rund einem Drittel der Landesfläche anwachsen lassen, stete und kluge forstliche Eingriffe werden die Wälder im Freistaat auch in Zukunft erhalten. Nachhaltige Forstwirtschaft ist nicht das Problem, nachhaltige Forstwirtschaft ist die Lösung.