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Auf den Spuren des Silberbergbaus im Goldlauterer Pochwerksgrund
Das schöne Herbstwetter am Wochenende nutzen: Den Bergbauwanderweg Goldlauter erkunden!
von Thomas Dreger
Suhl-Goldlauter. Es ist schon beinahe 20 Jahre her, dass im Weichbild der Stadt Suhl der historische Bergbau wieder entdeckt wurde. Dieses Thema interessierte damals viele Suhlerinnen und Suhler sowie Gäste. Über 250 Teilnehmerinnen und Teilhehmer zählte allein die geführte Bergbauwanderung in den Pochwerksgrund vor exakt 20 Jahren. Es entstanden in der Folge vier Bergbauwanderwege: am Suhler Domberg, im Goldlauterer Pochwerksgrund, am Vesserer Crux und auf dem Suhler Ringberg. Die Wege und Schautafeln bei Goldlauter und Vesser werden von den ortsansässigen Verwaltungen und Vereinen seit dem in Schuss gehalten. Am Domberg und auf dem Ringberg schaut es weniger gut aus …
In 20 Jahren ist das Bewusstsein für den historischen Bergbau wieder weitgehend verschwunden, und gerade Jüngeren in Suhl und der weiteren Umgebung dürfte gar nichts bekannt sein, dass man bei Goldlauter in herrlichster Landschaft den alten Bergbau auf Silber und Kupfer wieder erleben kann.
Der Pochwerksgrund
… ist ein tiefes Kerbtal , das sich von der Ortslage Goldlauter bis unter die Suhler Hütte zwischen Rosenkopf (939 m) und Fichtenkopf (944 m) erstreckt. Es zeichnet sich durch eine sehr hohe Reliefenergie (> 350 m/km!) aus, die der Landschaft ein beinahe alpines Ambiente verleiht. Im oberen Talbereich scheinen die Hänge von Rosenkopf und Fichtenkopf fast senkrecht ins Tal zu fallen. In historischer Zeit, als die Hänge unbewaldet waren – eine Folge von Raubbau des Waldes für Bergbau und Erzverhüttung – sollen hier, so wird erzählt, sogar Lawinen niedergerauscht sein.
Oberhalb der Forellenteiche im Pochwerksgrund nimmt der Bergbauwanderweg seinen Anfang.
Der im Talgrund rauschende Bach ist die Goldlauter oder Goldene Lauter, die dem Ort den Namen gegeben hat. Allerdings fand man im Talgrund kein Gold, sondern ein überdurchschnittlich kaltes Bachgewässer. Das war und ist bis heute „goald“, kalt, wie die Goldlauterer und ihre Nachbarn in ihrer fränkischen Mundart sagen.
Der Biologe Ralf Brettfeld aus Bockstadt wies in den 1990er Jahren hier Insektenarten als Eiszeitrelikte nach (Eintags-, Stein- und Köcherfliegen), die heute sonst nur noch nördlich des Polarkreises vorkommen. Das kalte Wasser im Oberlauf der Goldlauter, in dem ihre Larven aufwachsen, hat diese hier überleben lassen.
Der Bergbauwanderweg
… beginnt bei den Fischteichen kurz nach der Ortslage Goldlauter. Hier werden die Geologie des Gebietes und die Entstehung der Erzlagerstätten erläutert. Gesteinsproben laden zur genaueren Betrachtung und zum Anfassen ein.
Station eins des Bergbauwanderweges: Geologie.
Insgesamt 12 Stationen und Schautafeln laden zum Studium ein. Vorbei geht es an Geschichte, sichtbaren und unsichtbaren Stollenmundlöchern und an Goethe. Ja, richtig, der Dichterfürst war auch hier. Er besuchte mit seinem Freund und Weimarer Bergrat Voigt den Stollen Goldene Rose.
Das Stollenmundloch des Bergwerks Goldene Rose lag im Niveau etwa zwei Meter tiefer als der heutige Fahrweg. Nur die Tafel erinnert daran, erzählt aber auch vom Besuch Johann Wolfgang Goethes.
Vorbei geht es am „Wasseredle“, das vielen noch aus ihren Kindetagen bekannt sein dürfte. Bis heute wird es liebevoll instand gehalten und immer mal erweitert …
„Wasseredle“.
Auf die Erzaufbereitung und -verhüttung geht eine Tafel im Mühltiegelgrund ein. Neben drei bis vier Schmelzhütten sollen acht Pochwerke ähnlich dem unten abgebildeten vom Wasser der Goldenen Lauter angetrieben worden sein.
Pochwerk zum Zerkleinern der Erze (aus Agricola: De re metallica)
Untertageluft kann man im Neuen Tiefen Stollen St. Jacob schnuppern (Titelbild). Er wurde 1998 aufgewältigt und bis 1999 im Mundlochbereich gesichert. Ein paar Schritte bis zur Eisengittertür, die vor unbefugtem Zutritt schützt, sind im Stollendunkel möglich.
Blick aus dem Neuen Tiefen Stollen St. Jacob.
Über die Hirschzunge (Grillplatz und Schutzhütte, Fossilienfundplatz) und dem gleichnamigen Bergwerk gelangt man auf dem Bergbauwanderweg zur Halde des „Lilienstollen“ genannten namenlosen Suchstollens an der Rollwand im Grubenfeld Weiße Lilie (daher der Name Lilienstollen!).
Mundloch des „Lilienstollens“.
Wie ein Balkon ragt der heute geebnete Abraumhügel aus dem Berghang heraus und bietet einen spektakulären Blick auf die Steilhänge, die den Pochwerksgrund umstellen. Hier lohnt sich eine Rast für ein Picknick. Ein Blick in den Stollen ist auch möglich.
Vor dem „Lilienstollen“: Idealer Platz für ein Picknick mit phantastischer Kulisse.
An der Rollwand führt ein steiler Bergpfad mit herrlichen Aussichten wieder hinunter Richtung Ausgangspunkt.
Fotos und Karte: Thomas Dreger
Abriss der Bergbaugeschichte von Goldlauter
1519 – In einem Bericht des Rentmeisters EMES an den Grafen WILHELM IV. wird der Bergbau auf Silber in mindestens zwei Fundgruben an der Goldlauter erwähnt.
1546 – Graf WILHELM IV. von Henneberg-Schleusingen verfügt
in einer Stiftungsurkunde die Gründung von Goldlauter. Das Gelände zwischen der Einmündung der Dürren Lauter und des Ramseltals wird zur freien Bebauung bestimmt. Zwanzig Jahre wird den Bergleuten freie Holznutzung und Bergbautätigkeit auf einer Fläche von knapp 500 Hektar gewährt, die zwischen Dürrer Lauter – Rennsteig – Ramseltal liegt. Außerdem wird das Jagen (außer Rotwild) und Fischen im ausgewiesenen Gebiet erlaubt. Weitere Vergünstigungen werden der „Freyen Bergstadt Goltlauter“ zugestanden, so dass sich viele Bergleute ansiedeln. Überall, wo der Acanthodesschiefer zu Tage ausstreicht, werden Schächte angelegt. Aus dem Silbertal entsteht der Pochwerksgrund.
Im 16. Jahrhundert sollen dort bis zu acht Pochwerke und drei oder vier Schmelzhütten gestanden haben. Der Bergbau auf Kupfer und Silber steht in Goldlauter mehrere Jahrzehnte in voller Blüte.
1556 – Von WILHELM IV. wird eine Bergordnung für den Goldlauterer Bergbau erlassen.
1566 – GEORG ERNST von Henneberg, Sohn und Nachfolger WILHELMS IV., bringt eine modifizierte Bergordnung heraus, die nun auch den Ilmenauer Kupferschieferbergbau berücksichtigt. Teile dieser Bergordnung bleiben in einigen Gegenden Hennebergs bis ins 19. Jahrhundert gültig.
um 1600 – Der Goldlauterer Bergbau erlebt seine erste Flaute. Die oberflächennahen Flöze sind ausgebeutet, tiefere Schächte und längere Stollen müssen angelegt werden. Vergünstigungen des Landesherrn sind abgelaufen.
1602 – Wiederum finden sich etliche Gewerke und bitten um Genehmigung, die Bergwerke erneut betreiben zu dürfen.
1621 – Der Bergbau kommt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges zum Erliegen.
1648 – Es haben sich wieder mehrere Gewerken angemeldet, um am Rosenberg (= Rollwand) abbauen zu dürfen.
1655 – Der Graf zu Hohenlohe und Gleichen (Ohrdruf) tritt als Geldgeber auf und betreibt „wohl nicht zu großem Vorteil“, wie es bei JUNCKER (1705) heißt, Bergbau in Goldlauter.
1669 – Alle Aktivitäten werden eingestellt.
1673 – Der Graf zu Sayn und Wittgenstein erwirbt die Abbaurechte, nutzt sie aber nicht.
1675 – Als Gruben werden zu diesem Zeitpunkt genannt:
„Der Tiefe Stollen“ (= Hirschzunge), „Weiße Lilie“ und „Goldene Rose“. Als Berge mit Bergbau sind erwähnt: Hohe Laite (= Gold-lauterberg), Rosenberg (= Rollwand) und Hirschzunge.
1682 – Zu dieser Zeit liegt der Bergbau völlig brach, die Einwohnerliste weist bei 429 Einwohnern keinen Bergmann aus!
1710 – Langsam wächst das Interesse am Bergbau wieder. Probeschmelzen werden durchgeführt, mit annehmbaren Ergebnissen auf Kupfer und Silber.
1717 – Der Schleusinger Bergrat HARTUNG befindet in einem Schreiben an Herzog MORITZ WILHELM zu Sachsen-Naumburg-Zeitz, den seinerzeit regierenden Landesherrn, den Kirchberg in Goldlauter für abbauwürdig.
1727 – An den Bergwerken „Weiße Lilie“ und „St. Jakob“ in Goldlauter und „Margarethe“ an der Hofleite in Suhl, die auf Kupfer und Silber betrieben werden, beteiligen sich 41 Personen aus Goldlauter, Suhl, Heinrichs, Schleusingen, Schmalkalden, Stanau, Aue, Schneeberg und Johanngeorgenstadt.
1733 – Der Abbau wird infolge verworrener Zustände im damaligen hennebergischen Bergbau eingestellt.
1766–1769 – Das „Bergfieber“ kommt erneut über das Henneberger Land. Die Gruben „St. Jakob“, „Goldene Rose“ und „Hirschzunge“ werden wieder aufgewältigt.
1769 – Der Goldlauterer Pfarrer ANSCHÜTZ hält eine Bergpredigt, die die Belebung des Bergbaus zum Inhalt hat und von den Bergleuten dringend erbeten worden ist. Sie ist die erste wieder seit hundert Jahren und fördert die Motivation der Bergbautreibenden maßgeblich.
1780 – Am 7. September besucht GOETHE die „Goldene Rose“ und bringt in einem Brief an Frau von Stein seine Zufriedenheit zum Ausdruck.
1783 – Erneutes Probeschmelzen von Erzen der „Goldenen Rose“ und der „Hirschzunge“ bringt nicht das erhoffte Ergebnis, der Bergbau kommt wieder zum Erliegen.
1813 – Aufwältigung des „Güldne Rosestollns“.
1833–1834 – Die mittlerweile verfallenen Bergwerke „Hirschzunge“, „Goldene Rose“ und „St. Jakob“ werden aufs neue bebaut. In Goldlauter treten, gemeinsam mit mehreren Bürgern aus Suhl, 81 Teilnehmer zu einer Gewerkschaft zusammen.
1836 – Nur noch die „Hirschzunge“ arbeitet.
1838 – Die Gewerkschaft löst sich auf. Das Grubeninventar wird versteigert.
1843 – Zwei Bergleuten wird die Erlaubnis zum Versuchsabbau im Stollen „Goldene Rose“ erteilt. Ein Probeschmelzen in Kamsdorf erbringt jedoch ein negatives Ergebnis.
1844–1848 – Gewinnungsversuche in verschiedenen Bereichen der Grube „Goldene Rose“.
1854 – Der Suhler Hüttendirektor THOMA mutet alle Grubenfelder im Revier und betreibt sie unter dem Namen „Ernestine“. Die alten Stollen werden wieder aufgewältigt, neu verzimmert und verlängert.
Der neue tiefe Stollen „St. Jakob“ ist 30 m am Fuß der Rollwand ins Feld gebracht. Mit ihm wird ein Versuch unternommen, die Schieferflöze in möglichst großer Teufe zu erreichen und abzubauen.
1858 – Nach etwa 90 m werden die Arbeiten im „St. Jakob“ eingestellt, ohne den Schiefer erreicht zu haben.
1859 – Die Kommanditgesellschaft „Goldlauterer Gewerkschaft“ betreibt den Bergbau, kommt aber „infolge schwindelhafter Reklame zur Einfangung von Teilhabern“ in juristische Schwierigkeiten.
1860 – Die Berliner Firma „Dittmar und Kelch“ bearbeitet mit 30 bis 40 Knappen vorwiegend das Grubenfeld „Hirschzunge“. Der Transport der Erze erfolgt mit Fuhrwerken nach Grimmenthal und weiter mit der Bahn nach Mansfeld zum Schmelzen.
1870 – Der teure Transport ist schließlich der Grund für die endgültige Einstellung des Bergbaus in Goldlauter.